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06126 Digitale Medizintechnik im Gesundheitssystem im Jahr 2035

Wie sieht eine datengetriebene Gesundheitsversorgung im Jahr 2035 aus? Dieser Fragestellung hat sich ein Expertengremium des Branchenverbands BVMed e. V. gewidmet. Im Zentrum stand die Erarbeitung einer Vision, die auch die künftige Rolle der digitalen Medizintechnik beschreibt.
Dabei stellt die digitale Transformation des deutschen Gesundheitssystems große Herausforderungen, aber auch enorme Chancen bereit. Der Beitrag skizziert die Vision „MedTech digital 2035”, die ein datenbasiertes Versorgungssystem beschreibt. Durch moderne Medizintechnik, künstliche Intelligenz, digitale Zwillinge und ein neues drittes Versorgungslevel soll die Gesundheitsversorgung effizienter, transparenter und kosteneffektiver werden. Lesen Sie, welche Innovationen die Gesundheitsbranche revolutionieren und wie Fachkräfte gezielt entlastet und Patienten bedarfsgerecht versorgt werden.
von:

1 Einleitung

Die digitale Transformation der Gesundheitsversorgung ist nur mit moderner Medizintechnik umsetzbar. Vernetzte Medizinprodukte erfassen verfügbare Daten und machen diese zugänglich.
Vision als Grundlage
Als vielfältige Branche hat sich die Medizintechnik auf den Weg gemacht, unter Einbeziehung der technischen Möglichkeiten von Medizintechnologien eine Vision zu entwickeln, die digitale Versorgung im Jahr 2035 mit Leben füllt.
Der vorliegende Beitrag soll zur Diskussion und Weiterentwicklung des deutschen Gesundheitssystems im Kontext von Digitalisierung beitragen.

2 Ausgangpunkt der Vision: Potenziale der digitalen Medizintechnik

Medizintechnik heute
Der Bereich der Medizinprodukte besitzt eine große Bandbreite an Produkten und Verfahren, die Leben retten, Heilen helfen und die Lebensqualität verbessern. Schätzungen zufolge gibt es rund 500.000 verschiedene Medizinprodukte [1]. Diese kommen in allen Lebensphasen, bei vielfältigen Indikationen und in allen Gesundheitsversorgungsstufen zum Einsatz. Zudem werden Medizinprodukte immer digitaler, oft mit Softwaresteuerung. Somit beeinflusst die digitale Transformation schon heute und auch morgen die Medizintechnik.
Digitale Medizintechnik verfügbar
Digitalisierung hat den größten Einfluss auf den medizintechnischen Fortschritt [2]. Mit Computerunterstützung verbessern sich Bildverarbeitung, Modellierung und Simulation umfassend. Implantate werden immer leistungsfähiger und liefern mittels Sensoren und Sendern wertvolle Daten an Ärzte und Patienten. Therapiesysteme können in der Diabetesbehandlung, der Dialyse oder der Beatmung immer intelligenter gesteuert werden. Einen großen Wandel werden Big-Data-Anwendungen, eHealth, Telemedizin und Telemonitoring sowie die Vernetzung der Produkte bewirken. Die Vielfalt an schon bestehenden Medizinprodukten ist groß (s. Abbildung 1).
Abb. 1: Beispiele für den datenbasierten Versorgungskosmos beim Einsatz von Medizinprodukten
Mit neuer, digitaler Medizin ist die Hoffnung verbunden, Krankheiten früher zu erkennen, besser behandeln zu können und die Lebensqualität zu verbessern. Außerdem kann die Digitalisierung Prozesse in der Patientenversorgung optimieren und dazu beitragen, Kosten im System einzusparen. Der nächste große Schritt in der Revolution der Gesundheitsversorgung wird, wie in vielen anderen Bereichen, die künstliche Intelligenz (KI) bewirken [3]. Intelligente Datenanalyse und Datennutzung über Algorithmen, die regelmäßig dazulernen und besser werden, werden maßgebliche Bestandteile von künftigen Medizintechnologien sein.
Gemeinsames Zukunftsbild notwendig
Die digitale Transformation der Gesundheitsversorgung ist eine zentrale Chance, aber zugleich eine Herausforderung für die Medizintechnik in den kommenden Jahren. Datengenerierende Medizinprodukte sowie Innovationen durch Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), Robotik, Sensorik und Augmented/Virtual Reality eröffnen neue Möglichkeiten für eine bessere, effizientere und personalisierte Versorgung.
Für die Unternehmen bedeutet dies aber auch neue Investitionstätigkeiten in Forschung und Entwicklung (F&E) sowie die Realisierung neuer regulatorischer Anforderungen, z. B. Data Act, Artificial Intelligence Act (AIA) und European Health Data Space (EHDS), neben der Medical Device Regulation (MDR).
Um die Chancen dennoch nutzen zu können, braucht die Branche eine klare, gemeinsame Vision, basierend auf den Bedürfnissen von Patienten sowie anderen Akteuren im Gesundheitswesen. Ein starkes Zukunftsbild entsteht, wenn die Branche sich gemeinschaftlich ausrichtet und aktiv mitgestaltet.
Auftrag
Als führender Branchenverband hat sich der BVMed dieser Aufgabe angenommen. Der BVMed repräsentiert mehr als 300 Hersteller, Zulieferer und Händler der MedTech-Branche sowie Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger. 20 Experten aus dem Arbeitskreis Digitalisierung (AKD) wurden vom Vorstand damit beauftragt, ein konkretes, erstrebenswertes und realisierbares Bild des datenbasierten Versorgungskosmos für das Jahr 2035 zu entwickeln. Unterstützt wurde der Arbeitskreis bei der Erarbeitung der Vision von dem Beratungsunternehmen FutureManagementGroup AG (FMG).

3 Annahmen und Erwartungen

Im ersten Schritt stellte die Arbeitsgruppe Thesen über die Zukunft im Gesundheitswesen auf. Dabei wurden auch die weltweiten gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und technologischen Trends auf ihre Relevanz für die Themenstellung überprüft.

3.1 Globale Trends

Zukunftsbestimmende Faktoren
Trotz der Eingrenzung auf das deutsche Gesundheitssystem schaute die Gruppe in einem der ersten Schritte auf die globalen Trends als zukunftsbestimmende Faktoren, die die Medizintechnik und das Gesundheitswesen in Zukunft maßgeblich beeinflussen werden.
Dabei wurden mit Unterstützung der FutureManagementGroup folgende Punkte identifiziert [4]:
Zentrale Technologien: KI, IoT, Blockchain, Sensorik, Datenbrillen, Edge Computing, Robotik und 5G werden wichtige Technologien in der Zukunft sein und u. a. virtuelle Zwillinge der physischen Welt ermöglichen.
Intelligentisierung: Geräte und Systeme werden dank Fortschritten in künstlicher Intelligenz und Sensorik zunehmend vernetzter und intelligenter. Sie können Muster erkennen, Zusammenhänge verstehen, eigenständig handeln und sich kontinuierlich weiterentwickeln.
Computerleistung/Datenmenge: Möglichkeiten der Datenverarbeitung und -nutzung übersteigen die menschliche Vorstellungkraft.
Materialinnovationen: Neue Materialien, die mithilfe von Bio- und Nanotechnologie entwickelt werden, besitzen vielseitige Eigenschaften wie Langlebigkeit, Flexibilität oder Biokompatibilität. Sie können zudem intelligent, selbstreinigend und selbstheilend sein und nahezu jede gewünschte Funktion erfüllen.
Additive Fertigung: 3D-Druck und weitere Verfahren werden zum Standard auch in der Serienproduktion.
Longevity: Interesse an gesundheitsfördernden Lebensweisen wächst. Menschen gestalten Lebensumfeld, Ernährung, Einstellung und Lebensgewohnheiten zunehmend gesünder und folgen damit dem Wissen über das Gesundsein.
Human Enhancement: Die sogenannte Generation Z (GenZ, geboren um oder nach dem Jahr 2000) verfügt über einen souveränen Umgang mit neuen Technologien und nutzt sie auch für die Erweiterung der menschlichen Fähigkeiten.
Neue Arbeitswelt: In der Wissensgesellschaft treffen Spezialisierung und Interdisziplinarität aufeinander, was komplexe Anforderungen und einen Ausgleich erfordert. Um diese zu bewältigen, kooperieren Unternehmen zunehmend in Netzwerken, die die Grundlage der modernen Wirtschaft bilden.
Verknappung natürlicher Ressourcen: Die wachsende Nachfrage bei begrenzten Ressourcen kann zu Engpässen und Preissprüngen, etwa bei Erdöl oder Hightech-Metallen, führen.
Klimawandel: Der Klimawandel mit seinen Folgen zählt zu den größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und gefährdet langfristig Wohlstand und Wachstum. Daher gewinnen Klimaschutz und Klimapolitik zunehmend an Bedeutung. Eine nachhaltige Transformation von Industrien und Geschäftsmodellen wird angestrebt.

3.2 Annahmen für die Medizintechnik

Thesenaufstellung
Als wahrscheinliche Annahmen für den deutschen Gesundheitsmarkt des Jahres 2035 konnte sich die Gruppe auf folgende Punkte einigen:
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