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10730 Home, sweet ... Homeoffice?” – Herausforderungen und Chancen im Zeitalter von mobilem Arbeiten

Mobiles Arbeiten birgt enormes Potenzial – und neue Herausforderungen. Der Beitrag beleuchtet die Auswirkungen auf soziale Kompetenzen, Teamzusammenhalt und Motivation der Mitarbeitenden und zeigt, wie Organisationen und Gesundheitsbetriebe die Ambivalenzen dieser Arbeitsweise erfolgreich steuern können. Mit Erkenntnissen aus Wissenschaft und Praxis werden Handlungsempfehlungen zur Stärkung von Teamkultur und psychischer Gesundheit vorgestellt – ein hochaktuelles Thema für QM-Verantwortliche in einer zunehmend digitalisierten Gesundheitsbranche.
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1 Geschichte des „Wo” der Arbeit – in a Nutshell

Schaut man sich die Geschichte der Arbeit unter dem Gesichtspunkt an, wo gearbeitet wurde bzw. wird, so stellt man schnell fest, dass „Heimarbeit” keinesfalls eine Erfindung unserer Zeit ist. Schon in der Frühzeit arbeiteten Menschen dort, wo sie lebten – in Höhlen, auf Feldern oder in kleinen Werkstätten. Besonders in der vorindustriellen Zeit war Heimarbeit weit verbreitet: Bauern bearbeiteten ihre Felder rund um das Haus, Handwerker fertigten Produkte in der eigenen Stube, und Familien arbeiteten gemeinsam am heimischen Webstuhl oder Spinnrad. Erst mit der Industriellen Revolution im 18. und 19. Jahrhundert und der damit verbundenen notwendigen Konzentration von Arbeitskraft an einem definierten Ort verlagerte sich die Arbeit zunehmend in Fabriken. Die Menschen verließen ihr Zuhause, um in Städten und Industriegebieten zu festen Zeiten und Bedingungen zu arbeiten.
Früher Heimarbeit – heute Homeoffice
Heute, mit der Digitalisierung, kehrt die „Heimarbeit” in neuer Form zurück – als Homeoffice. Sie ist also keine neue Erfindung, aber ist sie damit auch eine Rückbesinnung auf alte Arbeitsformen? Macht diese Arbeitsform die Arbeitsergebnisse besser? Macht mobiles Arbeiten die Arbeit besser?

1.1 Problemstellung und Relevanz

Future Work ist in aller Munde – Agilität, Globalisierung, Flexibilisierung, Mobilität, nonterritoriales Arbeiten: die Zahl der Schlagwörter ist groß. Mobile Arbeit oder Arbeiten im Homeoffice sind heutzutage fester Bestandteil der Arbeitsstrukturen in fast allen Betrieben und Unternehmen. Spricht man über die Probleme, die sich mit der mobilen Arbeit ergeben, dann geht es vor allem um die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben oder aber auch um Aspekte der Leistungskontrolle und des Leistungsnachweises.
Arbeits- und Gesundheitsschutz im mobilen Arbeiten
Neben organisatorischen und arbeitszeitrechtlichen Fragen kommen hingegen Aspekte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im mobilen Arbeiten häufig zu kurz. Die COVID-19-Pandemie fungierte als Katalysator für einen tiefgreifenden Wandel der Arbeitswelt. Während flexible Arbeitsortmodelle zuvor überwiegend als Privileg einzelner Berufsgruppen galten, wurden Homeoffice und Remote Work innerhalb kürzester Zeit zum globalen Standard. Was zunächst weitgehend als temporäre Maßnahme betrachtet wurde, hat sich als nachhaltiger Strukturwandel herauskristallisiert.
Weitere Herausforderungen
Doch mit den neuen Formen der Arbeitsorganisation stellen sich auch neue Herausforderungen an Individuen und Organisationen, insbesondere im Hinblick auf soziale Kompetenzen, Teamzusammenhalt und die intrinsische sowie extrinsische Motivation der Arbeitnehmenden.
In der klassischen Arbeitsumgebung sind soziale Interaktionen nicht nur Mittel zum Zweck der Aufgabenbewältigung, sondern auch elementarer Bestandteil des Menschseins. Darauf wies schon Hannah Arendt 1958 hin [1]. Arbeitsplätze fungieren als soziale Räume, in denen Normen, Werte und Identitäten geformt und bestätigt werden [2]. Die Verlagerung dieser sozialen Dynamiken in digitale Räume wirft anthropologische und psychologische Fragen auf, die bislang nur in Ansätzen wissenschaftlich reflektiert wurden. Auch für die Praxis und den Arbeitsalltag ergeben sich daraus tiefgreifende Fragen und Veränderungen, deren Behandlung nicht nur persönlichen „Geschmacksfragen” oder eigenen Sozialisationserfahrungen folgen sollte. Die in jüngster Zeit feststellbaren Aktivitäten von Unternehmen und Organisationen, ihre Mitarbeitenden wieder stärker zurück ins Büro zu beordern, sollten nicht nur organisatorisch begründet, sondern auch in ihrer Notwendigkeit untermauert werden durch tatsächliche Erfahrungen und belegbare Erfordernisse. Die einfache Behauptung, dass so (und nur so!) organisatorische Ziele erreicht und qualitativ hochwertige Arbeitsergebnisse erzielt werden können, bedarf einer sorgfältigen Prüfung, zumal die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden (immer) stärker nicht nur von den Arbeitsergebnissen abhängt, sondern auch von den Rahmenbedingungen der Arbeitserbringung. Dazu gehört maßgeblich auch der Ort der Arbeit.
Effekte des mobilen Arbeitens
Frühere Studien zur Telearbeit [3] konzentrierten sich primär auf Produktivität und Work-Life-Balance, während psychosoziale Aspekte weniger Beachtung fanden. Neuere Forschungsarbeiten [4] zeigen jedoch, dass mobiles Arbeiten tiefgreifende Effekte auf emotionale Verbundenheit, Kommunikation und Arbeitszufriedenheit haben kann – sowohl im positiven wie im negativen Sinne.

1.2 Begriffliche Abgrenzungen und Auswirkungen von mobilem Arbeiten

Mobiles Arbeiten hat Auswirkungen auf drei zentrale psychosoziale Dimensionen der Arbeit:
die Entwicklung und Anwendung sozialer Kompetenzen,
den Zusammenhalt in Teams
sowie die individuelle und gemeinschaftliche Arbeitsmotivation.
Zur Beurteilung dieser Auswirkungen sollten sowohl empirische Erkenntnisse als auch philosophische und anthropologische Perspektiven berücksichtigt werden, um eine umfassende Betrachtung zu gewährleisten. Im Zentrum steht die Frage: Wie verändert mobiles Arbeiten die sozialen und motivationalen Grundlagen der Arbeit, und welche präventiven Maßnahmen können Organisationen ergreifen, um negative Folgen zu vermeiden oder abzumildern?
Bevor diese Fragen beantwortet werden – soweit dies überhaupt schon möglich und generalisierbar ist – müssen einige begriffliche Abgrenzungen vorgenommen werden.
Telearbeit, Homeoffice, Heimarbeit oder auch mobiles Arbeiten
Die Begriffe Telearbeit, Homeoffice, Heimarbeit oder auch mobiles Arbeiten werden oftmals gerne synonym verwendet, aber eigentlich gilt es zu differenzieren. Gesetzlich definiert ist das Homeoffice (noch) nicht, was auch vor dem Hintergrund interessant ist, dass auf der politischen Bühne schon über ein „Recht auf Homeoffice” debattiert wurde. Gemeint ist mit dem Homeoffice in der Regel das gelegentliche oder ständige Arbeiten in den privaten Räumlichkeiten des Arbeitnehmers. Als mobiles Arbeiten hingegen bezeichnet man nach allgemeinem Verständnis Tätigkeiten an nicht feststehenden Orten, etwa im Park oder im Café. Diese Form des Arbeitens ist für den Arbeitgeber insofern preiswert, als er Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lediglich technische Infrastruktur in Form von Smartphone und Laptop zur Verfügung stellt.
Heimarbeit ist seit 1951 gesetzlich verankert
Der Begriff des Heimarbeitsverhältnisses ist inzwischen alles andere als Future Work. Er findet sich im bereits 1951 erlassenen Heimarbeitsgesetz. Heimarbeiter erledigen Aufträge für einen Auftraggeber. Sie sind keine Arbeitnehmer, sondern Selbstständige. Für den Heimarbeiter gibt es kein Weisungsrecht vonseiten des Arbeitgebers. Das unterscheidet ihn vom Arbeitnehmer.
Telearbeit
Die Arbeitsstättenverordnung wiederum kennt den Begriff der Telearbeit. Demnach werden Telearbeitsplätze als vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten bezeichnet, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Damit ein Telearbeitsplatz als eingerichtet gilt, müssen laut Gesetz Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben, und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen muss vom Arbeitgeber oder einer von ihm beauftragten Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert sein.
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