10738 Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) und Datenschutz
Ein Update
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Seit Mai 2018 gelten für die Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Die Grundlagen zum Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) sind im Sozialgesetzbuch IX geregelt. Für das BEM stellt sich in der Praxis das Problem, wie die Datenschutzanforderungen qualitätsorientiert umzusetzen sind und eine rechtskonforme Datenverarbeitung im BEM ermöglicht werden kann.
Eine Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung zum BEM ist eine wesentliche Voraussetzung für den Prozess der betrieblichen Eingliederung. Der Beitrag zeigt, wie diese nach der aktuellen Rechtslage abgefasst werden kann. Dazu werden wichtige Vorgaben des Datenschutzrechts erläutert und für die Entwicklung eigener Betriebs-/Dienstvereinbarungen werden Muster und Formulare bereitgestellt. Arbeitshilfen: von: |
1.1 Welches Datenschutzrecht ist im BEM anzuwenden?
Die geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) regelt nicht explizit den Beschäftigtendatenschutz. Allerdings enthält der Art. 88 DSGVO in Abs. 1 eine Öffnungsklausel, sodass der nationale Gesetzgeber in Deutschland den § 26 BDSG für die Regelung des Beschäftigtendatenschutzes erlassen konnte. Art. 88 Abs. 1 DSGVO spezifiziert die Bereiche des Beschäftigungskontexts, zum Beispiel Einstellung, Arbeitsvertrag, Planung und Organisation der Arbeit. Im BEM geht es um „Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz” bzw. den Bereich des Arbeits- und Sozialrechts und des Sozialschutzes.
Art. 88 Abs. 1 DSGVO
Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext
(1) Die Mitgliedstaaten können durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen spezifischere Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext, insbesondere für Zwecke der Einstellung, der Erfüllung des Arbeitsvertrags einschließlich der Erfüllung von durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen festgelegten Pflichten, des Managements, der Planung und der Organisation der Arbeit, der Gleichheit und Diversität am Arbeitsplatz, der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, des Schutzes des Eigentums der Arbeitgeber oder der Kunden sowie für Zwecke der Inanspruchnahme der mit der Beschäftigung zusammenhängenden individuellen oder kollektiven Rechte und Leistungen und für Zwecke der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vorsehen.
Welches Recht findet Anwendung
Wichtig ist im Vorfeld die Klärung, welches Datenschutzrecht im BEM anzuwenden ist. § 1 Abs. 2 Satz 1 BDSG hebt hervor, dass andere Rechtsvorschriften des Bundes dem BDSG vorgehen. Das BDSG ist nach wie vor im Grundsatz nachrangig. In Satz 2 wird allerdings darauf hingewiesen, dass das BDSG wieder Anwendung findet, wenn die Rechtsvorschriften den betreffenden Sachverhalt nicht oder nicht abschließend regeln. Die Vorschrift zum BEM im § 167 Abs. 2 SGB IX regelt nicht konkret bzw. nicht vollständig den Datenschutz im BEM, d. h. abschließend die Art der Daten und den Umfang der Datenverarbeitung. Daher sind die entsprechenden Vorschriften des BDSG und der DSGVO anzuwenden. Dies soll anhand der Transparenzpflicht (Grundsatz der Transparenz) verdeutlicht werden, die vom Arbeitgeber als Verantwortlichem nach Art. 4 Nr. 7 und Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO einzuhalten ist, was wiederum nach Art. 5 Abs. 2 nachzuweisen ist.
Wichtig ist im Vorfeld die Klärung, welches Datenschutzrecht im BEM anzuwenden ist. § 1 Abs. 2 Satz 1 BDSG hebt hervor, dass andere Rechtsvorschriften des Bundes dem BDSG vorgehen. Das BDSG ist nach wie vor im Grundsatz nachrangig. In Satz 2 wird allerdings darauf hingewiesen, dass das BDSG wieder Anwendung findet, wenn die Rechtsvorschriften den betreffenden Sachverhalt nicht oder nicht abschließend regeln. Die Vorschrift zum BEM im § 167 Abs. 2 SGB IX regelt nicht konkret bzw. nicht vollständig den Datenschutz im BEM, d. h. abschließend die Art der Daten und den Umfang der Datenverarbeitung. Daher sind die entsprechenden Vorschriften des BDSG und der DSGVO anzuwenden. Dies soll anhand der Transparenzpflicht (Grundsatz der Transparenz) verdeutlicht werden, die vom Arbeitgeber als Verantwortlichem nach Art. 4 Nr. 7 und Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO einzuhalten ist, was wiederum nach Art. 5 Abs. 2 nachzuweisen ist.
§ 167 SGB IX
Prävention
(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.
(2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen. Soweit erforderlich, wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die Rehabilitationsträger oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Absatz 2 Satz 2 erbracht werden. Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.
(3) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter können Arbeitgeber, die ein betriebliches Eingliederungsmanagement einführen, durch Prämien oder einen Bonus fördern. (BGBl. I S. 1387).
Gewährleistung der Betroffenenrechte
In § 167 Abs. 2 Satz 4 SGB IX wird nur die Transparenzpflicht für den Arbeitgeber geregelt. Transparenz ist nach Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO ein besonders wichtiger Datenschutzgrundsatz in der DSGVO, dessen Einhaltung nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO nachzuweisen ist. Das zeigt sich vor allem in der Ausweitung der Betroffenenrechte (Art. 12 ff. DSGVO).
In § 167 Abs. 2 Satz 4 SGB IX wird nur die Transparenzpflicht für den Arbeitgeber geregelt. Transparenz ist nach Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO ein besonders wichtiger Datenschutzgrundsatz in der DSGVO, dessen Einhaltung nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO nachzuweisen ist. Das zeigt sich vor allem in der Ausweitung der Betroffenenrechte (Art. 12 ff. DSGVO).
Beigefügt finden Sie eine Checkliste zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM), mit der Sie entlang von 20 Punkten prüfen können, ob im BEM-Prozess alle Rechte der BEM-berechtigten Personen umgesetzt sind.[
10738_01.docx]
10738_01.docx]Die betroffene Person ist vor ihrer freien und wirksamen Zustimmung umfassend auf die gesetzlichen Ziele des BEM, d. h. Erhalt des Arbeitsverhältnisses, Abbau bestehender und Vorbeugung erneuter Arbeitsunfähigkeit sowie auf Art und Umfang der dabei erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen (s. z. B. Entscheidung des BAG [1]). Die gesetzliche Hinweispflicht des Arbeitgebers dient der informierten Zustimmung des Betroffenen und der Gewährleistung der Betroffenenrechte (s. § 26 Abs. 2 Satz 4 BDSG). Die Rechtsprechung [2] konkretisiert die Transparenz- und Hinweispflichten des Arbeitgebers als unerlässliche Voraussetzung für ein ordnungsgemäßes BEM [3].
Praxishinweis: Rechtskonformität des BEM-Verfahrens
Die Rechtsprechung hat seit 2009 Anforderungen an ein ordnungsgemäßes BEM formuliert, die im Sinne eines BEM-Qualitätsmanagements von allen betrieblichen BEM-Beteiligten zu beachten und umzusetzen sind. Die nachfolgende Checkliste kann genutzt werden, um die Rechtskonformität des BEM-Verfahrens festzulegen und die Einhaltung der Anforderungen während des BEM-Einzelfallmanagement zu evaluieren. Die Prüfpunkte orientieren sich an den Phasen des BEM und beschreiben Merkmale der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität.
| • | Hat der Arbeitgeber die Initiativlast bei der Einleitung des BEM bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für ein BEM übernommen und der BEM-berechtigten Person in einem BEM-Erstanschreiben und Gespräch über das BEM informiert bzw. ihr ein BEM-Angebot gemacht? |
| • | Hat der Arbeitgeber die BEM-berechtigten Arbeitnehmer zuvor nach § 167 Abs. 2 Satz 4 SGB IX ausführlich auf die Ziele des BEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen? |
| • | Hat der Arbeitgeber den erforderlichen Hinweis zur Datenverarbeitung im BEM gegeben, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes BEM durchführen zu können? |
| • | Wurde dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber oder das BEM-Team mitgeteilt, welche Krankheitsdaten als sensible Daten (gemeint sind Gesundheitsdaten – Art. 9 Abs. 1; Art. 4 Nr. 15 DSGVO; § 26 Abs. 2, 3 BDSG) verarbeitet werden und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber, damit auch der Personalabteilung, zugänglich gemacht werden? |
| • | Enthält der Arbeitgeberhinweis nach § 167 Abs. 2 Satz 4 SGB IX eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht? |
| • | Hat der Arbeitgeber bei der Durchführung des BEM eine bestehende betriebliche Interessenvertretung (z. B. Betriebsrat, Personalrat) hinzugezogen, das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt? |
| • | Werden die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen beteiligt und wird zusammen mit ihnen eine an den Zielen des BEM nach § 167 Abs. 2 SGB IX orientierte Klärung ernsthaft versucht? |
| • | Wird das gesetzliche Ziel im BEM ernsthaft und wirksam im Austausch der Akteure verfolgt, d. h. wird geklärt, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten (Arbeitsunfähigkeitszeiten) gekommen ist und herausgefunden, ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine krankheitsbedingte Kündigung zu vermeiden? |
| • | Wird der Betriebs- oder Werksarzt hinzugezogen, soweit erforderlich und die Zustimmung der BEM-berechtigten Personen vorliegt? |
| • | Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer verdeutlicht, dass es in dem koordinierten BEM-Suchprozess um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein „ergebnisoffenes” Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann? |
| • | Wird im offenen BEM-Suchprozess keine vernünftigerweise in Betracht zu ziehende Anpassungs- und Änderungsmöglichkeit ausgeschlossen? |
| • | Hält der Arbeitgeber die Mindeststandards im BEM ein, so z. B. die sachliche und umfassende Erörterung von in Betracht kommenden Anpassungs- und Änderungsmöglichkeiten und Vorschlägen von allen Teilnehmern des ergebnisoffenen und unverstellten BEM-Suchprozesses? |
| • | Wird für die Umsetzung der im BEM-Team einvernehmlich gefundenen Eingliederungsmaßnahmen und nachfolgender Wirksamkeitsprüfung angemessene Zeit eingeräumt? |
| • | Setzt der Arbeitgeber einen einvernehmlichen Vorschlag des BEM-Teams für eine ausreichende Erprobungszeit um, ehe er die krankheitsbedingte Kündigung ausspricht? |
Herstellung von Transparenz
Die von der Rechtsprechung für erforderlich gehaltenen Hinweise des Arbeitgebers sind im BEM-Erstanschreiben, in der datenschutzrechtlichen Einwilligung und unbedingt in einem BEM-Gespräch auszuführen bzw. zu vertiefen. Die Aufklärung darüber allein im Erstanschreiben wird für die Herstellung von Transparenz als Voraussetzung für die Informations- und Entscheidungslage der BEM-Berechtigten nicht ausreichen. Fehlerhafte Erstanschreiben führen z. B. dazu, dass es sich nicht mehr um ein „ordnungsgemäßes BEM” handelt. Für die Datenverarbeitung (Art. 4 Nr. 1, 2 DSGVO) und den koordinierten offenen Suchprozess im BEM ist Transparenz im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. a und Art. 12 ff. DSGVO zu schaffen. Nur so kann Akzeptanz und Vertrauen in das BEM bei den Beschäftigten erzeugt werden. Weitere Rechtsgrundlagen sind § 167 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 und Satz 4 SGB IX.
Die von der Rechtsprechung für erforderlich gehaltenen Hinweise des Arbeitgebers sind im BEM-Erstanschreiben, in der datenschutzrechtlichen Einwilligung und unbedingt in einem BEM-Gespräch auszuführen bzw. zu vertiefen. Die Aufklärung darüber allein im Erstanschreiben wird für die Herstellung von Transparenz als Voraussetzung für die Informations- und Entscheidungslage der BEM-Berechtigten nicht ausreichen. Fehlerhafte Erstanschreiben führen z. B. dazu, dass es sich nicht mehr um ein „ordnungsgemäßes BEM” handelt. Für die Datenverarbeitung (Art. 4 Nr. 1, 2 DSGVO) und den koordinierten offenen Suchprozess im BEM ist Transparenz im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. a und Art. 12 ff. DSGVO zu schaffen. Nur so kann Akzeptanz und Vertrauen in das BEM bei den Beschäftigten erzeugt werden. Weitere Rechtsgrundlagen sind § 167 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 und Satz 4 SGB IX.















