10728 Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen – Wie geht das in der Praxis?
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Das Ziel des Arbeitsschutzgesetzes ist es, die Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten zu erhalten. Daher schreibt das Gesetz vor, dass mögliche Gefährdungen an Arbeitsplätzen analysiert werden müssen, um dann Maßnahmen gegen festgestellte Gefährdungen durchzuführen. Dabei sollen auch die psychischen Belastungen betrachtet werden. Wie eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen durchgeführt wird und was dabei zu beachten ist, beschreibt der vorliegende Beitrag. von: |
1 Was ist das Ziel der Gefährdungsbeurteilung und was sind psychische Belastungen?
Wer sich mit dem Thema „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit” beschäftigt, stößt relativ schnell auf die sogenannte „Gefährdungsbeurteilung”, die neben chemikalischen oder biologischen Arbeitsstoffen ebenso die psychischen Belastungen umfasst. Häufig besteht jedoch noch Unsicherheit darüber, wie mit den psychischen Belastungen umzugehen ist und was überhaupt das Ziel einer solchen Gefährdungsbeurteilung ist.
Ziel der Gefährdungsbeurteilung
Das Arbeitsschutzgesetz [1] verpflichtet alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Ziel ist es, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass alle Beschäftigten gesund und sicher arbeiten können. Hierfür ist zu ermitteln, welchen Gefährdungen Beschäftigte bei ihrer Arbeit ausgesetzt sind, und gegebenenfalls sind Maßnahmen dagegen zu ergreifen. Die Beschäftigten haben somit ein Recht darauf, dass Maßnahmen gegen festgestellte Gefährdungen umgesetzt werden. Sie sind laut Gesetz aber auch dazu verpflichtet, bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes mitzuwirken.
Das Arbeitsschutzgesetz [1] verpflichtet alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Ziel ist es, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass alle Beschäftigten gesund und sicher arbeiten können. Hierfür ist zu ermitteln, welchen Gefährdungen Beschäftigte bei ihrer Arbeit ausgesetzt sind, und gegebenenfalls sind Maßnahmen dagegen zu ergreifen. Die Beschäftigten haben somit ein Recht darauf, dass Maßnahmen gegen festgestellte Gefährdungen umgesetzt werden. Sie sind laut Gesetz aber auch dazu verpflichtet, bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes mitzuwirken.
In der Pflege stehen neben physischen Belastungen durch Heben und Tragen inzwischen vor allem die psychischen Belastungen im Fokus. Was genau ist unter psychischen Belastungen zu verstehen?
Psychische Belastung und Beanspruchung
Der Begriff der „Psychischen Belastung” wird in einer internationalen Norm definiert. Es handelt sich um die Norm DIN EN ISO 10075-1 „Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung”. Dort steht, dass man unter psychischer Belastung „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken” versteht. Was bedeutet das? Wenn etwas „psychisch” einwirkt, so kann es sich auf unser Denken, unsere Gefühle oder unser Verhalten auswirken. Wenn uns z. B. unsere Vorgesetzte eine zusätzliche Aufgabe zuteilt, so kann dies dazu führen, dass wir uns ärgern (Gefühle), denken „Wie soll ich das noch alles schaffen?” (Gedanken) und unfreundlich reagieren (Verhalten). Die psychische Belastung ist nun das, was von außen wirkt, das heißt also in diesem Fall die Vorgesetzte bzw. ihre Arbeitsanforderung. Unsere Reaktion darauf bezeichnet man als „psychische Beanspruchung”. Sie wird in der Norm als „die unmittelbare (nicht die langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien” definiert. Bei dieser Begriffsdefinition ist es egal, ob sich die Belastung positiv oder negativ auswirkt. Wie sich eine Belastung auswirkt, ist z. B. abhängig von der Qualifikation der Person. Stellen Sie sich vor, ein Patient soll gewaschen werden. Dies ist eine Arbeitsanforderung (= Belastung). Bei einer Auszubildenden kann eine solche Anforderung negative Gefühle und Gedanken auslösen, da sie unsicher ist und Sorge hat, ob sie die Arbeit bewältigen kann. Eine erfahrende Pflegekraft erlebt dieselbe Anforderung anders, da es für sie Routine ist. Aus diesem Grund kann sich dieselbe Arbeitsanforderung auf unterschiedliche Menschen unterschiedlich auswirken. Deshalb wird der Begriff „Psychische Belastung” neutral definiert. Das passt nicht ganz mit unserer Alltagssprache überein, da wir „Belastung” üblicherweise als etwas Negatives ansehen. In der Fachsprache der Gefährdungsbeurteilung kann eine psychische Belastung jedoch sowohl positive als auch negative Reaktionen hervorrufen und ist somit zunächst wertneutral. Etwas vereinfacht könnte man sagen, dass die psychischen Belastungen die Anforderungen bei der Arbeit sind und die psychische Beanspruchung die Reaktion darauf.
Der Begriff der „Psychischen Belastung” wird in einer internationalen Norm definiert. Es handelt sich um die Norm DIN EN ISO 10075-1 „Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung”. Dort steht, dass man unter psychischer Belastung „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken” versteht. Was bedeutet das? Wenn etwas „psychisch” einwirkt, so kann es sich auf unser Denken, unsere Gefühle oder unser Verhalten auswirken. Wenn uns z. B. unsere Vorgesetzte eine zusätzliche Aufgabe zuteilt, so kann dies dazu führen, dass wir uns ärgern (Gefühle), denken „Wie soll ich das noch alles schaffen?” (Gedanken) und unfreundlich reagieren (Verhalten). Die psychische Belastung ist nun das, was von außen wirkt, das heißt also in diesem Fall die Vorgesetzte bzw. ihre Arbeitsanforderung. Unsere Reaktion darauf bezeichnet man als „psychische Beanspruchung”. Sie wird in der Norm als „die unmittelbare (nicht die langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien” definiert. Bei dieser Begriffsdefinition ist es egal, ob sich die Belastung positiv oder negativ auswirkt. Wie sich eine Belastung auswirkt, ist z. B. abhängig von der Qualifikation der Person. Stellen Sie sich vor, ein Patient soll gewaschen werden. Dies ist eine Arbeitsanforderung (= Belastung). Bei einer Auszubildenden kann eine solche Anforderung negative Gefühle und Gedanken auslösen, da sie unsicher ist und Sorge hat, ob sie die Arbeit bewältigen kann. Eine erfahrende Pflegekraft erlebt dieselbe Anforderung anders, da es für sie Routine ist. Aus diesem Grund kann sich dieselbe Arbeitsanforderung auf unterschiedliche Menschen unterschiedlich auswirken. Deshalb wird der Begriff „Psychische Belastung” neutral definiert. Das passt nicht ganz mit unserer Alltagssprache überein, da wir „Belastung” üblicherweise als etwas Negatives ansehen. In der Fachsprache der Gefährdungsbeurteilung kann eine psychische Belastung jedoch sowohl positive als auch negative Reaktionen hervorrufen und ist somit zunächst wertneutral. Etwas vereinfacht könnte man sagen, dass die psychischen Belastungen die Anforderungen bei der Arbeit sind und die psychische Beanspruchung die Reaktion darauf.
Bereiche psychischer Belastung
Man hat sich inzwischen darauf verständigt, dass psychische Belastungen bei der Arbeit aus fünf Bereichen kommen können (s. Abbildung 1). Dabei handelt es sich um
Man hat sich inzwischen darauf verständigt, dass psychische Belastungen bei der Arbeit aus fünf Bereichen kommen können (s. Abbildung 1). Dabei handelt es sich um
| • | die Arbeitsaufgabe, |
| • | die Arbeitsorganisation, |
| • | die Arbeitszeit, |
| • | die Arbeitsmittel und Arbeitsumgebung sowie |
| • | die sozialen Beziehungen. |
Belastungs-Beanspruchungs-Modell
Die in diesem Abschnitt beschriebenen Begriffe sind noch einmal in Abbildung 1 im sogenannten Belastungs-Beanspruchungs-Modell dargestellt. Belastungen aus den fünf unterschiedlichen Bereichen treffen auf den einzelnen Menschen und können sich positiv oder negativ auswirken. Die kurzfristigen Auswirkungen bezeichnet man als psychische Beanspruchung und die langfristigen Auswirkungen als Beanspruchungsfolgen. Der Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung sind die psychischen Belastungen (rot eingekreist in Abbildung 1), denn in der Gefährdungsbeurteilung geht es bei allen Gefährdungsfaktoren um den Arbeitsplatz und die Gefährdungen, die dort bestehen. Warum dies so ist, lässt sich ganz gut am Gefährdungsfaktor „Lärm” darstellen. Wenn Beschäftigte im Lärm arbeiten, so wird zur Bestimmung des Lärms die Lautstärke mit einem Schallpegelmessgerät gemessen. Wenn ein bestimmter Grenzwert überschritten ist, muss Abhilfe geschaffen werden, z. B. durch Schallschutzwände oder Kopfhörer. Die Beschäftigten werden aber nicht gefragt, wie sie den Lärm finden und wie sie sich damit fühlen. So ist es grundsätzlich auch bei den psychischen Belastungen, nur gibt es leider kein „Psycho-Pegel-Messgerät”. Deshalb muss man sich anders behelfen – dazu im übernächsten Abschnitt mehr. Der Grundgedanke ist aber bei allen Gefährdungsfaktoren derselbe: Der Arbeitsplatz soll so gesund und sicher wie möglich gestaltet sein, damit die Menschen an diesem Arbeitsplatz gesund bleiben. Man könnte auch sagen „Der Arbeitsplatz liegt auf der Couch (und nicht die Beschäftigten)”.
Die in diesem Abschnitt beschriebenen Begriffe sind noch einmal in Abbildung 1 im sogenannten Belastungs-Beanspruchungs-Modell dargestellt. Belastungen aus den fünf unterschiedlichen Bereichen treffen auf den einzelnen Menschen und können sich positiv oder negativ auswirken. Die kurzfristigen Auswirkungen bezeichnet man als psychische Beanspruchung und die langfristigen Auswirkungen als Beanspruchungsfolgen. Der Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung sind die psychischen Belastungen (rot eingekreist in Abbildung 1), denn in der Gefährdungsbeurteilung geht es bei allen Gefährdungsfaktoren um den Arbeitsplatz und die Gefährdungen, die dort bestehen. Warum dies so ist, lässt sich ganz gut am Gefährdungsfaktor „Lärm” darstellen. Wenn Beschäftigte im Lärm arbeiten, so wird zur Bestimmung des Lärms die Lautstärke mit einem Schallpegelmessgerät gemessen. Wenn ein bestimmter Grenzwert überschritten ist, muss Abhilfe geschaffen werden, z. B. durch Schallschutzwände oder Kopfhörer. Die Beschäftigten werden aber nicht gefragt, wie sie den Lärm finden und wie sie sich damit fühlen. So ist es grundsätzlich auch bei den psychischen Belastungen, nur gibt es leider kein „Psycho-Pegel-Messgerät”. Deshalb muss man sich anders behelfen – dazu im übernächsten Abschnitt mehr. Der Grundgedanke ist aber bei allen Gefährdungsfaktoren derselbe: Der Arbeitsplatz soll so gesund und sicher wie möglich gestaltet sein, damit die Menschen an diesem Arbeitsplatz gesund bleiben. Man könnte auch sagen „Der Arbeitsplatz liegt auf der Couch (und nicht die Beschäftigten)”.
2 Psychische Belastungen in der Pflege
Untersuchungen zeigen zahlreiche Belastungen
Zu den psychischen Belastungen in Pflegeberufen liegt eine Reihe von Untersuchungen vor ( [2] [3] [4] sowie auch [5]). Meistens werden Belastungen identifiziert, die negative Auswirkungen haben, obwohl sich Belastungen grundsätzlich auch positiv auswirken könnten (s. Abschn. 1). Die Belastungen, die zu negativen Effekten führen, sind aber diejenigen, bei denen gegebenenfalls Maßnahmen abzuleiten sind, damit die Beschäftigten weiter sicher und gesund arbeiten können. Daher stehen sie meistens im Fokus des Interesses. Folgende Belastungen werden häufig genannt, wobei die Aufzählung keine Reihenfolge darstellt:
Zu den psychischen Belastungen in Pflegeberufen liegt eine Reihe von Untersuchungen vor ( [2] [3] [4] sowie auch [5]). Meistens werden Belastungen identifiziert, die negative Auswirkungen haben, obwohl sich Belastungen grundsätzlich auch positiv auswirken könnten (s. Abschn. 1). Die Belastungen, die zu negativen Effekten führen, sind aber diejenigen, bei denen gegebenenfalls Maßnahmen abzuleiten sind, damit die Beschäftigten weiter sicher und gesund arbeiten können. Daher stehen sie meistens im Fokus des Interesses. Folgende Belastungen werden häufig genannt, wobei die Aufzählung keine Reihenfolge darstellt:
| • | Schicht- und Nachtarbeit, |
| • | häufige Überstunden, unregelmäßige Dienste, Einspringen an freien Tagen, |
| • | Schwierigkeit, sich von der Arbeit abzugrenzen, |
| • | unregelmäßige Pausen, |
| • | häufige Unterbrechungen, |
| • | Zeitdruck, |
| • | berufsbezogene psychische Traumatisierungen, Umgang mit Leid, Tod und unheilbaren Krankheiten, aggressive Patienten, Belästigung, Gewalt, Diskriminierung, |
| • | schwierige Angehörige, |
| • | schlechte Aufstiegschancen, |
| • | schlechte materielle Rahmenbedingungen, |
| • | Lärm von Pflegebedürftigen, z. B. aufgrund einer Demenz, |
| • | ausgeprägt starre hierarchische Strukturen, |
| • | mangelhafte Mitarbeiterführung; fehlende Unterstützung und Anerkennung durch Führungskräfte, |
| • | Informationsdefizite, |
| • | Bürokratie. |
3 Prozessschritte der Gefährdungsbeurteilung
Schritte
Bei der Gefährdungsbeurteilung sind – unabhängig von der Art der Gefährdung – mehrere Schritte zu durchlaufen. Zunächst muss festgelegt werden, welche Tätigkeiten betrachtet werden sollen. Danach sind mögliche Gefährdungen zu ermitteln und zu bewerten, d. h., es ist zu beurteilen, ob es sich tatsächlich um eine Gesundheitsgefahr handelt (z. B. ein Grenzwert, der überschritten wird). Danach sind Maßnahmen gegen die festgestellten Gefährdungen abzuleiten und natürlich umzusetzen. Die Wirksamkeit der Maßnahmen sollte ebenfalls geprüft werden und die Gefährdungsbeurteilung ist zu dokumentieren und fortzuschreiben. Letztendlich handelt es sich um einen Kreislauf im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Die einzelnen Schritte sind noch einmal in Abbildung 2 veranschaulicht. Wie die Prozessschritte bei den psychischen Belastungen ablaufen können und was dabei zu beachten ist, wird in den folgenden Abschnitten beschrieben.
Bei der Gefährdungsbeurteilung sind – unabhängig von der Art der Gefährdung – mehrere Schritte zu durchlaufen. Zunächst muss festgelegt werden, welche Tätigkeiten betrachtet werden sollen. Danach sind mögliche Gefährdungen zu ermitteln und zu bewerten, d. h., es ist zu beurteilen, ob es sich tatsächlich um eine Gesundheitsgefahr handelt (z. B. ein Grenzwert, der überschritten wird). Danach sind Maßnahmen gegen die festgestellten Gefährdungen abzuleiten und natürlich umzusetzen. Die Wirksamkeit der Maßnahmen sollte ebenfalls geprüft werden und die Gefährdungsbeurteilung ist zu dokumentieren und fortzuschreiben. Letztendlich handelt es sich um einen Kreislauf im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Die einzelnen Schritte sind noch einmal in Abbildung 2 veranschaulicht. Wie die Prozessschritte bei den psychischen Belastungen ablaufen können und was dabei zu beachten ist, wird in den folgenden Abschnitten beschrieben.
